Verrechnet

15. Februar 2025

Die Erfinder der Sesamstraße müssen beim Erfinden der Sesamstraße unglaublich viel gelacht haben. Sonst wäre ihnen nie die Figur des Graf Zahl eingefallen: ein Dracula-Verschnitt, der den Kindern die Angst vorm Rechnen nehmen soll. Im fahlen Mondlicht tritt er auf, ist stets von ein paar Fledermäusen umflattert, und wenn er die Zahl seiner aktuellen Träume erreicht hat, lacht der schallend und es gibt Blitz und Donner. Graf Zahl ist eine meiner Lieblingsfiguren in der Sesamstraße gewesen. Ich habe aber auch gerne Mathe in der Schule gehabt.

Wir leben in einer Welt des Rechnens, und das nicht nur in digitalen Zusammenhängen. Jedes Jahr wird mir eine Mitteilung zugeschickt, in der berechnet ist, wieviel Altersrente ich in zwanzig Jahren aus Anstellungen in der Studienzeit bekommen werde. Ich rechne mir aus bestimmten Verhaltensweisen bestimmte Folgen aus, mache dabei immer wieder mal die Rechnung ohne die vielen Wirte, die es außer mir sonst noch gibt, und rede mir dann im Nachhinein gut zu, dass ausgerechnet damit nun wirklich nicht zu rechnen gewesen sei. So manch eine/r hat sich im Leben schon gewaltig verrechnet.

So geht es auch den Leuten aus dem Evangelium dieses Sonntags. Es ist die altbekannte Geschichte von den Arbeitern im Weinberg (Matthäus 20), die unterschiedlich viele Stunden am Tag arbeiten und sich Hoffnung auf einen Arbeitslohn machen, der ihrer geleisteten Arbeit entspricht. Stattdessen aber wird ein Einheitslohn ausgezahlt, egal ob man nur eine Stunde oder einen ganzen Tag gearbeitet hat. Was für eine empörende Ungerechtigkeit! Die Fleißigen müssen sich am Ende fragen, ob sich ihre viele Arbeit überhaupt noch rechnet. Dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden entspricht das ganz und gar nicht.

Gottes Maßstäbe sind da offenbar anders. Seine Gerechtigkeit lässt sich nicht billig berechnen, sondern ist ziemlich unberechenbar. Ich kann sie mir nicht erarbeiten, ich kann sie nicht kalkulieren. Wer es gewohnt ist, spitz abzurechnen, muss am Ende feststellen, dass das fürchterlich kleinkariert ist und man sich tatsächlich völlig verrechnet hat. Dass Gott nicht rechnen kann, weil er überhaupt nicht rechnen will, sondern einfach großzügig sein. Oder wie die Bibel es nennt: barmherzig. Damit sprengt er unsere menschlichen Maßstäbe. Und ist der einzige, auf den man in allen Lebenslagen rechnen kann.

Karsten Heitkamp ist Pastor im Westen des Isenhagener Landes

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Foto: Jens Schulze
Pastor Karsten Heitkamp
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