Ein Mann war mit seiner Gemeinde unzufrieden. Er sah die Mängel und Fehler. Manche Querelen unter Schwestern und Brüdern machten ihm zu schaffen. Er vermisste geistliches Wachstum; er spürte so etwas wie Sand im Getriebe. Mit der Zeit zog er sich mehr und mehr zurück; er klagte und grollte. Das war nicht mehr ‚seine‘ Gemeinde.
Da wurde ihm ein Traum geschenkt. Ihn träumte, ein Engel habe ihn hinauf in Gottes ewige Welt getragen. Dort durfte er das Haus Gottes als wunderbaren Tempel sehen. Er staunte über das herrliche, majestätische Bauwerk; er war beeindruckt und überwältigt. Doch dann entdeckte er plötzlich im Mauerwerk eine Lücke. Offenbar fehlte dort ein Stein. So war also bei näherem Betrachten in dem schönen Bauwerk doch ein hässliches Loch. „Was bedeutet diese Lücke im Haus Gottes?”, fragte er den Engel.
„Diese Lücke hast du verursacht, als du dich aus der Gemeinde zurückgezogen hast”, sagte der Engel. „Gott wollte dich an dieser Stelle gebrauchen, aber du hast nur die Fehler der anderen gesehen. Vor lauter Klagen und Grollen über die anderen bist du gar nicht dazu gekommen, deinen Platz auszufüllen. Nun gibt es im Tempel Gottes diese hässliche Lücke!”
Der Mann erwachte. Und er musste lange nachdenken. Immer wieder sah er die Lücke im Mauerwerk des Tempels. Das musste er ändern. Das hatte er in der Hand.
Oft ergeht es uns ähnlich in unseren Gemeinden. Viele erleben die Umbruchssituation der vergangenen Jahre auf dem Hintergrund der verbitterten Feststellung: „Das ist nicht mehr ‚meine‘ Gemeinde… Sollen die doch ihr Ding ohne mich machen“… Und sie übersehen allzu leicht, dass gerade sie es sind, die zurzeit gebraucht werden.
Seit 11 Wochen sind nun die neu gewählten und berufenen Kirchenvorstände unserer Kirchengemeinden in ihrem Amt. Sie sind mit viel Mut und Engagement angetreten, ihre Gemeinden zu leiten. Die altbekannten Probleme sind nicht geringer geworden; und es sind neue Herausforderungen dazugekommen. Sie machen deutlich, dass die Kirchenvorstände für die Wahrnehmung ihres Leitungsamtes auch die anderen Mitglieder, Freunde und Gönner der Kirchengemeinden brauchen.
Leiten kann man nur, wenn andere da sind, die teilhaben, partizipieren, mitmachen. Denken Sie darüber nach, wenn Sie mal wieder über ‚ihre‘ Kirchengemeinde ‚gefrustet‘ sein sollten.
Das ist ein guter Anlass, sich zu fragen, welche Lücke Sie in Ihrer Kirchengemeinde ausfüllen können; mit welchen Gaben Sie sich gerne mit einbringen möchten, um das zu ergänzen, worin andere ihre Mühe einbringen. Jeder Mensch hat seine Stärken. Die größte ist es, andere stark zu machen. Natürlich: Es ginge auch ohne Sie. Aber es bliebe die Lücke im Mauerwerk.
Helmut Kramer ist Pastor in den verbundenen Kirchengemeinden Brome-Tülau und Ehra
Alle AnsprechpartnerInnen in unseren Gemeinden finden Sie hier.