„Gottes falsche Anwälte. Der Verrat am Islam“, unter diesem Titel ist dies Jahr ein Buch erschienen von einem Münsteraner Professor. Er fordert, den Koran historisch-kritisch zu lesen; dafür erhielt er von seinen Glaubensbrüdern viel Kritik. In der christlichen Theologie ist diese Aus-legung der Bibel seit langem gebräuchlich.
Eines seiner Beispiele: Im Koran bekommen die Mäd-chen nur halb so viel vom Erbe zugesprochen wie die Jungen. Doch in den patriarchalen Strukturen des siebten Jahrhunderts sei das ein Fortschritt gewesen: "Wenn die Mädchen die Hälfte bekom-men haben, dann nur deshalb, weil sie vorher gar nichts bekommen haben. Der Autor fragt: „Bleiben wir bei diesem ersten Anstoß stehen oder verstehen wir den Koran in seiner Offenheit, dass wir sagen: Für das siebte Jahrhundert war das eine positive Entwicklung, aber wenn wir dabei stehenbleiben, ist es eine katastrophale Entwicklung?“
Als Christen legen wir ganz ähnlich die Bibel aus; ein Beispiel: Auf den ersten Blick scheint das Urteil „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ein grausamer Grundsatz aus dem 2.Buch Mose Kap. 21 Vers 24: Da ist es hilfreich zu wissen, dass im alten Israel vorher der Rechtsgrundsatz galt, dass eine mittelschwere Körperverletzung genauso wie der Diebstahl von einem Sack Getreide mit dem Tode gerächt werden durfte.
Der neue Grundsatz, für den Verlust eines Auge darf nur ein Auge als Strafe gefordert werden, war juristisch wie menschlich deshalb ein Fort-schritt in Richtung Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Die Bibel so zu verstehen ist also gescheit und recht, kritisch, - aber bibeltreu.
Nun gibt es aber Christen, die Bibeltreue so verstehen, dass jedes Wort der Bibel gelten muss für den christlichen Leser. Denn die Bibel sei in jedem Vers Gottes Wort. Wer so denkt, der sollte einmal nachschlagen:
- 3. Mose 11,6 wird behauptet, der Hase sei ein Wiederkäuer. Sollte Gott wirklich so irren? Ist nicht die Bibel an solchen Stellen reines Menschenwort auf dem Wissensstand längst vergangener Jahrhunderte? - 1.Kor. 11,5 (Schleier beim Beten für die Frauen) befolgen wir auch schon längst nicht mehr.
Ich möchte die Bibel kritisch lesen und sehe gerade darin meine Treue zu Gottes Wort im Menschenwort. Bleiben Sie treu und behütet!
Elke Wunsch ist Pastorin im Ruhestand
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