Dreieinhalb Minuten haben Giovanni Trapattoni in Deutschland unsterblich gemacht. Vor allem der letzte Satz seiner Pressekonferenz am 10. März 1998 ist in den allgemeinen Sprichwortschatz eingegangen: »Ich habe fertig.« Eigentlich wollte er seine eigenen Spieler aufrütteln, weil er mit ihren Leistungen nicht zufrieden war (»schwach wie eine Flasche leer«), hat aber der erstaunten Öffentlichkeit vor allem ein einzigartiges Sprachdenkmal hinterlassen.
Fertig. Das Wort schillert in seinen Bedeutungen. Ich bin fertig, das kann heißen: Ich habe nichts mehr zu sagen, ich habe meine Sache erledigt; aber auch: ich bin erledigt, müde, am Ende, ich kann nicht mehr. Im Möbelhaus kann ich wählen, ob ich einen Bausatz erwerbe oder mir das gute Stück schon fertig kommen lasse. Und wenn ich es in Einzelteile zerlegt mitnehme, benötige ich gewisse Fertigkeiten, um daraus zu Hause das gewünschte Möbelstück zusammenzubauen. Nach getaner Arbeit wärme ich mir dann ein Fertiggericht auf und wundere ich mich darüber, dass es nicht so schmeckt wie in Kindertagen, als noch mühsam selbst gekocht werden musste.
Ich glaube, viele können im Moment ihre Gemütsverfassung mit »fertig« ganz gut umschreiben. Corona macht mich fertig – es nimmt mir die Energie, macht mich müde und mürbe. Es lässt Menschen aus heiterem Himmel krank werden und sterben, und man hat das Gefühl, dem nichts entgegensetzen zu können. Selbst wenn es nicht so dramatisch zuschlägt, ist doch bei vielen mittlerweile die Luft raus, weil man sich ständig bedroht fühlt oder immer neu auf Infektionslagen reagieren muss. Man sehnt sich nach einem Ende dieses unguten Zustands, dass es wieder so wird wie vor Corona.
Aber ist das nicht eine Illusion? Was einmal war, kommt so, wie es war, nicht wieder. Ob es die guten alten Zeiten sind, von denen bevorzugt manche älteren Leute so gerne reden; ob die kribbeligen Anfänge lange vor der Ehekrise; oder eben Corona – so wie vorher wird es nicht mehr. Es gibt genug Menschen, die genau das fertigmacht. Weil es anstrengend ist und unbequem; weil man nie wirklich seine Ruhe hat.
Das kann ich gut verstehen. Ich habe auch gerne meine Ruhe, gerade in solchen Zeiten. Und muss doch registrieren, dass es die richtige Ruhe gar nicht gibt. Jedenfalls nicht in diesem Leben. Die Geschichte ist nicht irgendwann einfach fertig. Sie geht immer weiter, bis vielleicht irgendwann Gott mir ihr fertig ist. Wann das sein wird? Weiß niemand. Wie das sein wird? Schön soll es sein. Jedenfalls lese ich in der Bibel, dass Gott, wenn er diese Welt an ihr Ende bringt, mit uns Menschen noch etwas vorhat. Weil er mit uns noch lange nicht »fertig hat«.
Karsten Heitkamp ist Pastor in Steinhorst & Groß Oesingen
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