Sprachwissenschaftler sagen, dass Erfahrungen, die wirklich neu sind, auch neue Begriffe hervorbringen. Das Wort „Lockerungen“ deutet auf eine solche neue Erfahrung. Früher gab es dieses Wort im öffentlichen Sprachgebrauch nicht. Vielleicht hatte jemand mal „eine Schraube locker“ oder pflegte einen „lockeren“ Umgang. Dabei gab es immer auch das klare Gegenteil: nämlich dass Schrauben eigentlich festgezogen gehören und der Umgang geordnet sein sollte. Was aber ist das Gegenteil der „Lockerungen“, die wir jetzt erfahren und über die wir uns alle freuen? Verfestigung? Verdichtung? Selbst Google, das sonst (fast) alles weiß, kann keinen überzeugenden Vorschlag machen.
Wahrscheinlich liegt das an der diffusen Erfahrungslage der vergangenen 15 Monate. Wir haben Einschränkungen und Verengungen erfahren, Ängste und Sorgen, aber auch die Arbeit vieler Menschen an Sicherheit und Ausgleich. Und insgesamt ist das Krisenmanagement der Verantwortlichen in unserem Land sicherlich gut gelungen.
„Nun werd mal locker!“ So möchte ich diese Phase der Lockerungen, die hoffentlich dauerhaft ist, verstehen. Mach dich frei! Komm wieder mehr aus dich heraus! Lege deine Ängste und Zwänge ab! Und zwar unabhängig davon, wie gerade die äußeren Regelungen und Rücksichten sind (die wir natürlich weiterhin zu beachten haben)!
Für mich als Theologen ist dieses Menschenbild entscheidend: wir sind dazu bestimmt, aufrecht und frei durch unser Leben zu gehen. Ängste und Sorgen haben zwar ihren Platz. Und manchmal sind sie sehr machtvoll. Aber sie dürfen niemals die letzte Macht über unsere Lebensführung und über unser Seelenleben gewinnen. Als Ebenbilder Gottes gehen wir nicht gedrückt und geknechtet durch unsere Lebensgeschichte, sondern aufrecht und aufgerichtet. Wir sind zur Freiheit erlöst – und das soll uns keine Angst nehmen!
Also: Werdet mal locker! Auch wenn der Kampf gegen die Pandemie wahrscheinlich noch nicht vorbei ist!
Dr. Heinrich Springhorn ist Pastor in Hankensbüttel und Sprakensehl
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