Ja, ich mag sie! Mögen sie noch so altmodisch daherkommen. Unverständlich sein und exotisch erscheinen. Wie aus einer anderen Welt. Mag alles ein. Und trotzdem: Ich mag sie. Ich mag die alten Namen der Sonntage in der Passionszeit. Bringen sie doch Grundempfindungen der Menschen auf den Punkt. Und spiegeln diese Empfindungen von Menschen vergangener Zeiten im Bild Gottes. Der morgige Sonntag trägt den Namen Judika. Es ist das erste Wort des Eingangspsalms dieses Sonntags, Psalm 43: „Iudica me, deus! Schaffe mir Recht, Gott!“
Wie viele Menschen werden sich in den letzten zweieinhalbtausend Jahren in diesen Worten wiedergefunden haben? Wie viele konnten in sie einstimmen? Einstimmen, weil sie auch diese Erfahrung gemacht haben: dass das Menschenherz kein sicherer Appellhof ist, an dem man Unterstützung erfährt. So wendet sich der Psalm-Schreiber an Gott: „Errette mich von den falschen und bösen Leuten!“ Von anderen enttäuscht worden zu sein – wer kennt das nicht? Oder dass einem andere nicht nur Gutes wollen? Das Leben ist eben kein Ponyhof.
Oder wie werden Menschen in der Ukraine dieser Zeit Sätze hören wie den im Psalm 43 folgenden: „Warum muss ich so traurig gehen, wenn der Feind mich drängt?“ Die Worte der Bibel sind – wie immer – aktueller, als es uns oft lieb ist. Und deshalb, liebe Leser, genau deshalb, dürfen wir uns nicht nur von diesen Worten angesprochen fühlen. Sondern noch mehr: Wir dürfen uns mit hineingenommen wissen in ein Geschehen zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Mensch, das uns allen gilt. Wo mir die Grenzen anderer Menschen – und nicht weniger die eigenen – schmerzlich bewusst werden, da beginnen die Möglichkeiten Gottes.
In diesem Glauben oder in dieser Hoffnung kann ich in die Worte des Schreibers des 43. Psalms einstimmen, der zu Gott ruft: „Sende dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten…!“ Und dann auch meiner Seele gut zureden: „Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.“
Jörn Kremeike ist Pastor in Hankensbüttel
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