Der Landrat der Region Berchtesgadener Land hat eine Art Mini-Lockdown zur Eindämmung des Corona-Virus verhängt. Die Gesamtlage sei „diffus“, lässt sich der Landrat vernehmen. So nennen die Fachleute und Entscheider derzeit eine Situation, in der nicht klar ist, woher die Corona-Ansteckungen in einem Gebiet kommen: ohne Muster, ohne Hotspots, ohne klare Verfolgbarkeit.
Mich erinnert „diffus“ an den herbstlichen Nebel, der uns in den nächsten Wochen vermehrt umgeben wird. Denn jetzt kommt sie wieder: die dunkle Jahreszeit. Für nicht wenige sind die nebligen und dunklen Monate eine Herausforderung, manchmal gar eine Belastung. Viele ziehen sich zurück, schalten einen Gang runter und hängen ihren Gedanken nach. Zusammen mit der diffusen Corona-Lage mag sich dieser Herbst noch trüber als in den Jahren zuvor anfühlen, vielleicht gar wie ein Gefängnis.
Im „Hauptmann von Köpenick“ von Carl Zuckmayer kommt der „Hauptmann“ Wilhelm Voigt nach seiner Gefängniszeit bei einem Schwager unter. Die beiden unterhalten sich: „Und denn, denn stehste vor Gott, dem Vater. Und der fragt dir ins Jesichte: Wat haste jemacht mit dem Leben? Und da muss ick sagen: Fußmatten, die hab ick jeflochten im Gefängnis! Aber Gott sagt dir: Jeh wech! Dafür hab ick dir det Leben nicht jeschenkt!“
Was machen wir mit unserem Leben? Gerade in solch diffusen Zeiten? Auch wenn der eine oder andere nicht mehr glauben mag, dass Gott das fragen wird; in unserem Gewissen verstummt diese Frage nicht. Was tun wir mit unserer Zeit? Mit unseren Begabungen, Kräften und Talenten? Dabei geht es weder um Leistung oder Erfolg. Es geht um Liebe und Vertrauen, um Mut und Zuversicht. Ob wir das uns anvertraute Leben so führen, wie es uns geschenkt ist: mit Liebe und Verantwortung für unsere Nächsten.
Der „Hauptmann“ Wilhelm Voigt wollte nicht wieder zurück ins Gefängnis. Seine Berufung bestand nicht in Fußmatten, sondern in etwas Höherem. Vielleicht ist etwas Hochstapelei manchmal hilfreich, um die aufrechte Haltung wieder einzunehmen. Als Christ lasse ich mich gerne daran erinnern, dass ich ein Kind Gottes bin – und dazu berufen, als solches zu leben. So wie Sie auch!
Wenn die Diffusität zunimmt, sei es draußen im Nebel des Herbstes, sei es beim Fortgang der Pandemie, oder sei es im Inneren unserer Seele: lasst uns nicht in das Gefängnis unserer Ängste zurückgehen! Und lasst uns nicht an den vielen kleinlichen Sorgen unseres Alltags knüpfen! Aus ihnen wird kein Lebensteppich, sondern bestenfalls ein Fußabtreter.
Auch in den Nebeln des Herbstes und Winters gibt es viele Quellen der Klarheit und Freundlichkeit! Seien auch Sie eine solche!
Dr. Heinrich Springhorn ist Pastor in Hankensbüttel und Sprakensehl
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