"Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht." (Joh. 12,24)
Das Leben hat eine große Kraft. Das kann man allein schon in den kleinen Wundern der Natur entdecken: eine Baumwurzel kann eine Straße unterhöhlen. Weil sie wächst, weil sie Leben in sich hat, weil dieses Leben ungeahnte Kräfte entwickelt.
Eine Löwenzahnwurzel kann eine Betonplatte heben oder sogar zerbrechen. Nicht mit Gewalt, sondern mit der sanften Kraft des Lebens, das in ihr steckt. Ähnlich lässt sich das jetzt im Frühling vielfach beobachten, wenn die Natur wieder zum Leben erwacht. Leben dringt nach draußen und entfaltet unvorstellbare Kräfte.
Jesus selbst hat diese Kräfte erkannt und verwendet sie in dem Bild vom Weizenkorn. Von jenem unscheinbaren Korn, das im Halm steckt; das im Herbst gesammelt und im Herbst oder im Frühling ausgesät wird. Jesus spricht davon, dass ein Weizenkorn ausgesät werden muss, wenn es neues Leben bringen soll. Es muss in die Erde, der Keimling muss aufgehen; Teile des Samenkorns müssen sich zersetzen und neuen Nährstoff bilden für den Keimling, der seine Kraft im Boden findet und zu wachsen beginnt und als neuer Halm der Träger hundertfältiger Frucht werden kann. Das ist ein Vorgang, den wir schon gar nicht mehr beachten, der uns gar nicht mehr bewusst ist; aber er gehört zum Leben dazu: erst das Sterben ‚macht‘ neues Leben.
Auch mit Jesu Tod ist es ähnlich: erst sein Sterben macht neues Leben. Sein Tod ist unausweichlich, damit es neues Leben geben kann. Aber das heißt gleichzeitig, auch wenn es zunächst paradox klingt: sein Tod macht Sinn. Sein Tod muss sein, damit Gott sein Erlösungswerk vollenden kann.
Das schafft eine große Entlastung im Wissen: auch unser Leiden und unsere Not und unser Sterben liegen in Gottes Hand und er hat alles gut gemacht und geordnet. Auf der Höhe der Passionszeit wird dieser Sonntag auch „das kleine Ostern“ genannt, weil er schon eine Vorfreude auf das Osterfest in Aussicht stellt. Genau das kommt in der alten Bezeichnung des Sonntags zum Tragen: „Lätare“ („Freuet euch“) - im Lateinischen das erste Wort des Leitverses zum Sonntag, Jesaja 66,10: „Freuet euch… und seid fröhlich“.
Grund zur Freude in dieser Zeit? Ja, wenn wir Altes loslassen; nicht mehr nur furchtsam festhalten, was uns daran hindert, uns Neuem zu öffnen. In diesem Sinne: eine gesegnete Woche unter dem Worte: „Freuet euch“…
Helmut Kramer ist Pastor in Ehra-Lessien
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