Alles dreht sich um Lisa. Unsere Tochter lebt offensichtlich in der Annahme, dass die ganze Welt eine Veranstaltung sei, die einzig und allein für sie eingerichtet ist. Sie will etwas, und natürlich hat ihr Wunsch in Erfüllung zu gehen. Sie will etwas nicht, und damit ist für sie die Sache erledigt. Wenn sie morgens aufwacht, ist sie erstaunt, dass andere noch schlafen, obwohl sie doch wach ist – ein Zustand, der nicht so bleiben kann. Und wenn sie abends ins Bett geht, meint sie wohl, auch wir sollten alsbald unsere Flügel einklappen und den Tag beenden.
Für eine Zweijährige ist das wahrscheinlich normal. Kinder beziehen alles auf sich, selbst wenn sie nicht als die kleinen Prinzen und Prinzessinnen erzogen werden, von denen man heute so oft hört. Zum Erwachsenwerden gehört, dass man sich selber einzuordnen lernt: Ich bin nicht der Mittelpunkt aller Dinge, sondern oft genug nur eine Randerscheinung. Leute, die das auch als Erwachsene nicht einsehen wollen, halten wir für gestört.
»Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.« (Jesaja 60,2) Im Wochenspruch für diese kommende Woche scheint die Kindheit geblieben zu sein. Der Herr geht auf, genauso, wie die Sonne aufgeht. Ein Ereignis von geradezu kosmischer Dimension, man kann es sich größer nicht denken. Und in alledem stehe ich. Mittendrin. Gleich zweimal heißt es in dem kurzen Satz: »Über dir« geschieht das alles. Dass Gott in die Welt kommt und sein Werk tut, das alles ist für mich.
Es ist wirklich erstaunlich: Was wir unseren Kindern mit guten Gründen abzugewöhnen versuchen, was wir ablegen, wenn wir erwachsen sein wollen – bei Gott bleibt es. Alles, was er tut, das tut er nur im Blick auf mich, »über mir«. Und über dir, das natürlich auch. Mir und dir, jedem und jeder einzelnen von uns steht Gott persönlich gegenüber. Gott ist in der Lage, jeden Menschen für einen besonderen zu halten. Er scheint da keine Grenzen zu kennen.
»Über dir geht auf der HERR.« Eigentlich wird mir damit nichts anderes gesagt, als dass ich ein Kind Gottes bin. Kinder haben noch eine Fähigkeit, die uns Erwachsenen allzu oft abhanden gekommen ist: Sie können vertrauen. Manchmal sind sie geradezu vertrauensselig. Ich muss mich nicht für den Mittelpunkt der Welt halten, und zum Tyrannen muss ich auch nicht werden. Aber darauf zu vertrauen, dass ich Gott nicht egal bin, das ist schon eine gute Sache.
Karsten Heitkamp ist Pastor in Groß Oesingen, Steinhorst, Hankensbüttel & Sprakensehl
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