Am morgigen Sonntag feiern wir Reformationstag. Vor kurzem erst haben wir diesen Tag aufwendig in Szene gesetzt. Der fünfhundertste Jahrestag bot auch genügend Anlass dazu. Heute, vier Jahre später, frage ich mich mehr denn je, was trägt davon heute noch?
Der Predigttext, der uns für den morgigen Sonntag aufgegeben ist, steht im Brief des Paulus an die Galater. Im Kapitel fünf, Vers 1a heißt es kurz und knapp: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“
Freiheit ist ein Begriff, der in den letzten Jahren, seit die Kommunikation durch digitale Medien inflationären Einzug in unseren Alltag gefunden hat, für jegliche Zwecke gebraucht, missbraucht und umgedeutet wurde. In den zurückliegenden zwei Jahren hat das ganze durch Corona noch einmal an Fahrt zugenommen. Einige fühlen sich in ihrer Freiheit eingeengt, sogar ihrer beraubt. Anderen fällt es schwer, diese Aussagen nach zu vollziehen.
Informationen, nicht nur digitale, scheinen zunehmend seltener hinterfragt zu werden. Ein Bild, ein Textausschnitt werden zur Wahrheit erklärt, zu Fakten, ohne deren Inhalt kritisch zu befragen oder zu hinterfragen. Wie lässt sich in diesem Kontext dann ein Begriff wie Freiheit fassen? Ein Begriff, der so vielschichtig und komplex ist. Ein Begriff, der je nach Perspektive ob ethisch, juristisch oder philosophisch Unterschiedliches für den Betrachtenden bedeutet.
Was trägt von der Reformation heute noch? Vieles! Im Centrum steht für mich zur Zeit die Erkenntnis, wie wichtig Bildung für eine Gesellschaft ist. Martin Luther und Philipp Melanchton waren, neben vielen Anderen, treibende Kräfte, dem Volk Bildung zugänglich zu machen. Die Menschen sollten einen eigenen Zugang zur Bibel und ihrem Inhalt bekommen, um mündige Christen zu werden. Kein Filter durch die Kleriker sollte dazwischen sein. Um das zu können brauchte es gebildete Menschen. Menschen, die sich eine eigene Meinung bilden können. Alle Menschen, unabhängig vom sozialen Stand und ihrer Herkunft, sollten Zugang zu elementarer Bildung erhalten. Ein revolutionärer Gedanke damals und nach vielen Transformationen noch immer Grundlage des heutigen Bildungsverständnisses.
Für Martin Luther war Christus der Weg, der den Menschen in die Freiheit führt. Diese Erkenntnis konnte nicht von außen einfach übergestülpt werden, sondern sie musste mit dem eigenen Verstand erarbeitet und begriffen werden.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und ein schönes Reformationsfest!
Olaf Klein ist Pastor in Wittingen
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