"Über den Frieden sprechen, heißt, über etwas sprechen, das es nicht gibt“. Wer diesen Satz heute hört oder liest, wird sich vielleicht zunächst bestätigt finden in überkommenen Klischees oder Parolen, die so oder so ähnlich auch von ewig Gestrigen geäußert werden könnten. In Wahrheit entstammt der Satz der Dankesrede, die die schwedische Schriftstellerin und Kinderbuchautorin Astrid Lindgren am 22. Oktober 1978 hielt, als ihr der Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen wurde. Das liegt nun mehr als 45 Jahre zurück.
Die Rede ist bis heute ein denkwürdiges Zeugnis einer mutigen Frau, die sich kompromisslos für den Frieden in der Welt eingesetzt hat und die erkannt hat: Wenn wir einen neuen Ansatz in der Friedenspolitik suchen, müssen wir bei den Kindern ansetzen.
„Könnten wir es nicht vielleicht lernen, auf Gewalt zu verzichten? Könnten wir nicht versuchen, eine ganz neue Art Mensch zu werden? Wie aber sollte das geschehen, und wo sollte man anfangen? Ich glaube, wir müssen von Grund auf beginnen. Bei den Kindern“. Und sie setzt fort: „Die jetzt Kinder sind, werden ja einst die Geschäfte unserer Welt übernehmen, sofern dann noch etwas von ihr übrig ist... Gibt es auch nur die geringste Hoffnung darauf, dass die heutigen Kinder dereinst eine friedlichere Welt aufbauen werden, als wir es vermocht haben?“
Astrid Lindgren greift ein Zitat von Goethe auf: "Überall lernt man nur von dem, den man liebt", und sie schlussfolgert: „Ein Kind, das von seinen Eltern liebevoll behandelt wird und das seine Eltern liebt, gewinnt dadurch ein liebevolles Verhältnis zu seiner Umwelt und bewahrt diese Grundeinstellung sein Leben lang“.
Und sie erzählt die Geschichte einer jungen Mutter, die ihr Kind eigentlich ohne Rute erziehen wollte. Nun hatte ihr Sohn eines Tages etwas getan, wofür er ihrer Meinung nach doch eine Tracht Prügel verdient hätte - die erste in seinem Leben. Die Mutter trug dem Sohn auf, in den Garten zu gehen und selber nach einem Stock zu suchen, den er ihr dann bringen sollte. Der kleine Junge ging und blieb lange fort. Schließlich kam er weinend zurück und sagte: "Ich habe keinen Stock finden können, aber hier hast du einen Stein, den kannst du ja nach mir werfen."
Plötzlich sah die Mutter alles mit den Augen des Kindes, das gedacht haben musste: "Mama will mir wirklich weh tun, und das kann sie ja auch mit einem Stein." Sie nahm ihren kleinen Sohn in die Arme und schwor sich: Niemals Gewalt. Den Stein legte sie auf ein Bord in der Küche, als ständige Mahnung an dieses Versprechen, das sie sich gegeben hatte.
1978 schloss Astrid Lindgren ihre Rede mit den Worten: „Vielleicht wäre es gut, wenn wir alle einen kleinen Stein auf das Küchenbord legten als Mahnung für uns und für die Kinder: NIEMALS GEWALT! Es könnte trotz allem mit der Zeit ein winziger Beitrag sein zum Frieden in der Welt“.
Trotz allem… mit der Zeit… bis dahin liegt auch bei mir ein Stein auf dem Küchenbord.
Helmut Kramer ist Pastor in den verbundenen Kirchengemeinden Brome-Tülau und Ehra
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