„Menschensinn und Juniwind ändern sich oft sehr geschwind!“ Bauernregeln sind faszinierend: manche geben sich tiefgründig, manche sind überraschend, manche nichtssagend und manche weise. Den Spruch vom Menschensinn und Juniwind finde ich weise.
Dabei geht es nicht nur um die Wechselhaftigkeit menschlicher Launen und Stimmungen. Sondern um die Unzufriedenheit, die sich ständig neue Themen sucht: Erst ist es zu kalt, dann zu warm. Mal ist es zu trocken, mal zu nass. Immer ist irgendetwas zu viel oder zu wenig, zu hoch oder zu tief.
„Dir kann man auch nichts recht machen!“ sagte meine Großmutter, wenn ich mal wieder maulig war. Vielleicht sind wir als Gesellschaft in eine Haltung geraten, in der man nichts mehr recht machen kann. Wird eine Straße erneuert, meckert man über die Baustellen. Wird sie nicht erneuert, meckert man über die Schlaglöcher. Vielen scheint die grundlegende Zufriedenheit mit dem Dasein und Sosein der Dinge verloren gegangen. Als müsste immer alles in einer gleichbleibenden Perfektion ablaufen. Und zwar nach jedermanns Geschmack.
Statistiker können bei allen Arten von Schwankungen Mittelwerte berechnen. Die einzelnen Werte erscheinen nun als Abweichungen. Das Wetter ist dann nicht mehr „kalt“, sondern „zu kalt“. Eine Baustelle dauert dann nicht mehr „lange“, sondern „zu lange“. Die Fähigkeit, Daten zu erheben, verführt dazu, errechnete Mittelwerte zur Norm zu erheben. Und jede Abweichung wird Anlass für Ärger.
Der wechselnde Juniwind erinnert mich daran, dass ich die Wechselfälle und Schwankungen meines Lebens nicht in der Hand habe – Gott sei Dank! Wo blieben sonst die Überraschungen, Veränderungen und Inspirationen? Wo bliebe sonst die Gelassenheit, die Dinge ihrem eigenen Fluss zu überlassen? Wo sonst hätte ich Gelegenheit, mich in Geduld zu üben und die Gedanken schweifen zu lassen?
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sommer, wie auch immer die Kapriolen des Wetters und des Lebens ausfallen!
Dr. Heinrich Springhorn ist Pastor in Hankensbüttel und Sprakensehl
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