Als Kind war ich froh, wenn die Faschingszeit vorbei war. Ich brauchte nicht mehr fürchten, mich verkleiden zu müssen. Im Kindergarten, in der Schule: immer musste ich mich verkleiden. „Kind, das macht doch Spaß, sich zu verkleiden!“ Ich hasste solche Zumutungen. Wenn man den Psychologen glauben darf, hatte ich offenbar keinen Bedarf, meine verborgenen Wünsche in Kostüme zu packen: ich wollte weder Clown, noch Superman oder Westernheld sein.
Als ich in Westfalen lebte, begegnete ich der erwachsenen Karnevalskultur. Und im Studium lernte ich, wie wichtig solche Zeiten des exzentrischen Feierns für eine festgefügte Gesellschaft sind: das, was sonst in der bürgerlichen Kultur unterdrückt bleibt, findet ein allgemein akzeptiertes Ventil.
In der Bibel wird auch vom Verkleiden gesprochen. „Zieht an den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit!“ (Eph. 4) Ein christlicher Kostümladen, der seine Türen öffnet. Hier bekommst Du, was Deine Seele zum Leben braucht: Vergebung, um die Lasten der Vergangenheit abzulegen. Trost, um Wege in der Trauer zu finden. Freude, um leichter durchs Leben zu gehen. Frieden, um dem Reflex der Vergeltung zu entkommen.
All dies nicht nur zum Verleih für den Karneval, sondern auf Dauer. Dieses maßgeschneiderte Gewand passt Dir, weil Du es selbst bist: Dein anderes, besseres Selbst. In seinem wunderbaren Buch „Der christliche Narr“ beschreibt Walter Nigg, wie sehr dieses andere Selbst beflügeln kann. Aber nicht um die sprichwörtliche Sau rauszulassen (oder noch Unschöneres), sondern um gegen den Ungeist der Zeit den Geist Gottes zu setzen. Jesus war so närrisch, dass er besonders den Besessenen seine Aufmerksamkeit schenkte, sein Ohr und sein Wort. Vielleicht ist diese Narretei heute nötiger denn je.
Dr. Heinrich Springhorn ist Pastor in Hankensbüttel und Sprakensehl
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