Jetzt geht es wieder los. Die stillen Novembertage haben abgewirtschaftet, das Jahr kommt in seine heiße Phase. Der Advent beginnt, und damit wird eine ganze Maschinerie weihnachtlicher Stimmung in Gang gesetzt, in der kein Rädchen fehlen darf: Weihnachtsdeko, Weihnachtsgebäck, Weihnachtslieder, Weihnachtsmärkte, Weihnachtseinkäufe, Weihnachtsfeiern, Weihnachtsmänner, Weihnachtsbesinnlichkeit. Die Abläufe sind längst eingespielt, man kann sich drauf verlassen – same procedure as every year.
Das ist jetzt gar nicht so despektierlich gemeint, wie es vielleicht klingt. Wenn etwas alle Jahre wieder stattfindet, dann ist es völlig normal, dass mit der Zeit eine gewisse Routine einkehrt. Routinen sind ja erstmal nichts Schlimmes, sie sind vertraut und verlässlich. Aber sie haben auch eine Kehrseite: Irgendwann merke ich möglicherweise gar nicht mehr, was ich da eigentlich mache, es wird nur noch abgespult. Das Räderwerk funktioniert, aber mehr halt auch nicht.
Bestimmt hat es mit dem fortgeschrittenen Alter zu tun. Wenn man fünfzigmal Weihnachten gefeiert hat, kann einen nicht mehr so viel überraschen. Klar, ich werde auch dieses Jahr sicherlich wieder schöne Geschenke bekommen, über die ich mich wirklich freue. Aber die große Spannung ist raus. Das ist bei Kindern ganz anders, sie fiebern regelrecht auf Weihnachten hin; der Advent dauert in ihrer Wahrnehmung unendlich lang, bis dann nach einer gefühlten Ewigkeit endlich Weihnachten ist.
Mit dem, weswegen wir überhaupt Weihnachten feiern, ist es genauso. Seit meiner Kindergartenzeit kenne ich die Geschichte von Jesu Geburt, ich habe sie inzwischen so oft gehört und gelesen, dass da für mich wohl nichts Überraschendes mehr dran ist. Natürlich läuft mir immer noch so ein leicht wohliger Schauer über den Rücken, wenn ich am Heiligabend den Anfang der Geschichte höre: „Es begab sich aber zu der Zeit …“ Aber eigentlich habe ich längst keinen richtigen Blick mehr für das, was mir schon zum ersten Adventssonntag vor Augen geführt wird: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“
Manchmal wünsche ich mir meine Kinderaugen zurück. Die haben die Fähigkeit, Wunder zu sehen. Wir Alten haben das meist verlernt. Dabei ist es doch ein Wunder und ein unglaubliches Ereignis: Wieso kommt ausgerechnet zu mir ein König? Und wie kommt es, dass er mir helfen will? Was hat er mit mir vor? Ich bin noch nie mit einem König zusammengetroffen. (Ich habe nur mal einen früheren Bundespräsidenten leibhaftig gesehen, aber da war es nicht gerade so, dass er zu mir gekommen ist. Immerhin hat er freundlich geguckt.) Gott dreht da offenbar ein ganz großes Rad für mich. Hoffentlich schenkt er mir auch die passenden Augen dafür.
Karsten Heitkamp ist Pastor im Westen des Isenhagener Landes
Alle AnsprechpartnerInnen in unseren Gemeinden finden Sie hier.