Wolfsburger Gespräche: Zukunft kirchlicher Gebäude im städtischen Raum
Die christlichen Kirchen in Deutschland werden kleiner - ein langfristig stabiler Trend, der nicht erst vor ein paar Jahren begonnen hat. Und diese Entwicklung wirke sich auch deutlich auf den kirchlichen Gebäudebestand aus, erläuterte Professor Thomas Erne, Direktor des Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart, bei den Wolfsburger Gesprächen. Verglichen mit der Mitgliederzahl des Bundes für Naturschutz seien die Mitgliederzahlen von katholischen und evangelischen immer noch enorm hoch. Dennoch halbierten sie sich bis 2060, mit Folgen in allen Tätigkeitsbereichen.
„Voraussichtlich zehn Prozent des Gesamthaushaltes der evangelischen Kirchen in Deutschland werden im Jahr 2060 für die Gebäudeinstandhaltung benötigt werden – das wird dann der größte Haushaltsposten sein“, prognostiziert der promovierte Theologe Erne, der auch Professor für Praktische Theologie an der Universität Marburg ist. „Steine oder Beine? Das kirchliche Kleid schlottert, es braucht intelligente Veränderungen.“
Veränderungen, die den Menschen in den Blick nehmen. „Theologisch ist den Prostestant:innen der Raum wurscht!“, erklärte Erne. Eine Kirche bringe lediglich materialhaft die Verbindung mit dem Himmel zum Ausdruck, es brauche dafür kein besonderes Gebäude. Das deutlich schwindende Gottesbewusstsein führe hingegen nicht dazu, dass Menschen keine Kirchen mehr besuchten, allein 6 Millionen Menschen jährlich gehen in den Kölner Dom, immerhin rund 230tausend in die hannoversche Marktkirche.
„Atmosphäre, Stimmung, Mystik – Menschen suchen das Gefühl der Unendlichkeit immer noch auch in unseren Kirchen.“ Ein Privileg der Kirchen sei das jedoch nicht mehr, auch Fußballstadien böten heutzutage Transzendenz-, also Selbstentgrenzungserfahrungen. „Das Beste, was einer Kirche heute passieren kann: Dass sie benutzt wird.“ Nicht nur für Gottesdienste, sondern auf vielfältige Weisen. Mit Kunst, zum Schlafen, für Gemeinschaft.
Stadtplanerin Petra Potz lieferte für die Verbindung kirchlicher und öffentlicher Räume Beispiele aus der Praxis. „Es geht immer auch darum, eine angemessene Präsenz der Kirche vor Ort zu gestalten“, sagt die promovierte Architektin. Angemessen für das jeweilige Quartier, indem Kirche sich vernetze mit anderen kommunalen Aktivititäten, Einrichtungen und Institutionen, denn die Kommunen könnten langfristig die Verantwortung für die Zukunftsgestaltung in den Städten nicht mehr allein übernehmen. Eine Chance für Kirche gerade in städtischen Räumen.
„Kirche muss sich öffnen, ihre Blickrichtung wechseln, es gibt großes Potential für Stadtentwicklung mit den räumlichen Liegenschaften der Kirche!“ Zahlreiche Projektbeispiele führte die bundesweit renommierte Stadtplanerin an, wie die Citykirche Heidelberg oder auch das O1-Haus im Bochumer Westend. „Sehen Sie Transformation als Chance, gehen Sie dorthin, wo die Menschen leben und arbeiten Sie in Netzwerken. So können Sie öffentliche Ankerpunkte schaffen.“
Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis / Frauke Josuweit