Zur traditionellen Bürgerkanzel hatte die Michaelisgemeinde Fallersleben am Buß- und Bettag eingeladen. „Abgekanzelt zu werden – damit müssen wir heute Abend nicht rechnen“, begrüßte Pastor Tilman Heidrich die Gottesdienstbesuchenden. Auch wenn der Buß- und Bettag ein anderes Gepräge bekommen habe seit seiner Abschaffung als Feiertag im Jahr 1995, gelte es auch heute noch, genau hinzuschauen. „Es geht um Umkehr, darum, zu prüfen, wo es Missstände gibt, die wir ändern sollten.“ Dazu hatten die Michaelisgemeinde und die Michaelisstiftung als Frau aus dem kirchlichen Leben Alexandra Fastnacht, Wolfsburger Flüchtlingssozialarbeiterin des Kirchenkreises eingeladen.
Langeweile und klassische Musik – so habe sie die Buß- und Bettage als Kind und Jugendliche erlebt, erinnerte sich Fastnacht. „Kein lautes Spielen war erlaubt, wir sollten zurückblicken und überprüfen, was wir verbessern müssen.“ Und darum gehe es auch heute noch. „Sich auf das besinnen, was wirklich wichtig und uns Kraft gibt, geht in unserem Alltag leider oft unter.“ Alexandra Fastnacht begleitet seit über 30 Jahren zugewanderte Familien mit ihren Kindern. „Das ist eine Lebensaufgabe“, konstatierte die Sozialarbeiterin.
Leid und Lebensgefahr in eigenem Land würden Menschen dazu bewegen, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen. „Sie kommen mit der Hoffnung auf Leben in Frieden.“ Ohne Sprachkenntnisse, in ein völlig fremdes Land. „Die Herausforderungen für ein Leben in einer demokratischen Grundordnung sind ohne Beratungsangebote nicht zu bewältigen“, erfährt Fastnacht täglich in ihrer Arbeit und schildert sehr anschaulich einen Nachmittag in ihrem Büro. „Ich höre Tumult auf dem Flur, meine Tür öffnet sich, bunte Tücher, leuchtende Farben, fremde Gerüche. Drei Frauen, mehrere Kinderwagen, zwei Cityroller und ein Kind mit Schulranzen stehen vor mir.“ Und dann geht es los: Behördliche Schreiben lesen, entscheiden was zuerst zu tun ist, Formulare ausfüllen, Lebensmittelgutscheine, die durch Spenden ermöglicht wurden, weitergeben, einen neuen Termin verabreden. Beruhigen, helfen, Hoffnung spenden.
„Diese Arbeit machen die Kolleg:innen im Kirchenkreis stellvertretend für uns als Gemeinde. Denn das, was da geleistet wird, überfordert eine Gemeinde“, bedankte sich Tilman Heidrich. „Sie sind eine von uns. Das, was Sie in der Flüchtlingssozialarbeit leisten, hat ganz viel mit uns zu tun.“ Der Einladung zum anschließenden Imbiss folgten die Gottesdienstbesuchenden gern, konnten sie doch mit Alexandra Fastnacht noch mal ganz persönlich ins Gespräch kommen.
Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis
