Weihnachtsbotschaft ist und bleibt gut
Kriege, Terror, Regierungskrise und wirtschaftliche Missstände auch vor der eigenen Haustür – kurz vor Weihnachten scheint die Welt aus den Fugen zu geraten. Wie können wir da ein Fest feiern?
Thomas Hoffmann Weihnachten feiern seit 2000 Jahren – oft genug war es unruhig. Und trotzdem wurde Weihnachten immer gefeiert. Weil es für die Menschen eine Bedeutung hat. Es ist mit Licht verbunden. Trotz allem - Weihnachten ist hoffnungsvoll.
Christian Berndt Weihnachten ist im Ursprung ein Fest in Krise. In diesem Jahr ist die Weihnachtszeit für viele Menschen, gerade hier in Wolfsburg, sehr belastet. Denn die Krise ist ganz nah, im persönlichen Lebensumfeld. Da wird Weihnachten umso wichtiger als Lichtblick, als Hoffnungszeichen. Aber auch umso schwieriger, weil etwas so instabil geworden ist. Wie zahle ich meinen Kredit ab oder behalte ich meine Arbeit – das macht vielen große Sorge. Ich hoffe, dass Weihnachten den Menschen, uns allen die Möglichkeit gibt, zu sehen, dass es doch noch etwas anderes gibt, über die Sorgen des Alltags hinaus.
Thomas Hoffmann Die Ur-Weihnachtsszene war auch keine sichere Situation, Maria und Josef waren auf der Flucht. Jesus kam nicht auf einer gut ausgestatteten Geburtsstation zur Welt. Die Hirten, arme Schlucker, eilten zur Krippe. Heute hätte man sie ganz sicher nicht zum Kinde gelassen, sondern rausgeschmissen und vermutlich die Polizei gerufen. Weihnachten ist auch und gerade ein Fest für schwierige Zeiten.
Für Christinnen und Christen ist mit dem Weihnachtsfest verbunden, dass Gott in die Welt kommt. Gott geht auf die Menschen zu und ist bei ihnen. Die Geburtsszene drückt ja auch aus, dass er sich nicht scheut, ihre Lebenssituation, auch gerade die schwierige Lebenssituation, zu sehen, anzunehmen, zu besuchen, mitzumachen. Wir spüren an Weihnachten, dass Gott uns nahe ist.
Christian Berndt Gott ist da, Gott liebt Dich und mich. Egal was ist. Wie auch immer die Situation in der Welt ist. Das ist das, was zählt. Das ist die tiefe Nachricht von Weihnachten. Es geht um die Beziehung zu Gott. Und die kann in Ordnung sein, auch wenn mein Arbeitsplatz gefährdet ist, auch wenn die Familie daheim streitet. Diese Beziehung trägt mich. „Fürchtet euch nicht!“, heißt es in der Weihnachtsgeschichte. Fürchtet euch nicht, auch wenn die Blase von der schönen heilen Welt zerplatzt.
Erreichen Sie, erreicht die Kirche die Menschen mit dieser Botschaft noch?
Christian Berndt Ich hoffe, ja. Aber es wird zunehmend schwieriger. In der westlichen Welt hat die Religiosität abgenommen. Was aber nicht abgenommen hat, ist die Suche nach Sinn. Die große Frage ist: Wofür lebe ich? Mein Leben muss eine Aufgabe, einen Sinn haben. Weihnachten sagt mir: Es kommt nicht auf Deine Arbeit an. Der Sinn Deines Lebens wird von Gott mitbestimmt.
Thomas Hoffmann Wir feiern Weihnachten, weil wir fest davon überzeugt sind, dass die Botschaft gut ist und gut bleibt. Aber jede und jeder hat die Freiheit, dies anzunehmen oder auch nicht. Es gibt dunkle Zeiten und dunkle Situationen, aber nicht die ganze Welt ist dunkel. Krisen haben immer zwei Seiten: Sie sind absolut lebensgefährlich oder eine Chance, dass sich möglicherweise etwas in eine lebensverändernde, gute Form verändert. Dass eine Tür aufgeht. Und dieser Glaube ist in der Kirche stark.
Krise hat – nicht sofort und vielleicht gar nicht sichtbar und auch gar nicht glaubbar – immer auch den Aspekt von Neuanfang. Sinnbildlich stehen dafür – nicht nur in Krisenzeiten – unsere offenen Türen: Unsere Kirchen als Räume der Stille. Unsere Beratungsstellen, Caritas und Diakonie…
Christian Berndt … Telefonseelsorge, Krankenhausseelsorge, Altenseelsorge, Notfallseelsorge – wir schenken Menschen Zeit. Wir hören zu, wir helfen, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Wir begleiten. Wir helfen Dir, noch einmal neu auf Deine Situation zu gucken, wir helfen Dir, nach anderen Möglichkeiten Ausschau zu halten.
Glauben allein reicht wohl nicht, es braucht doch auch die äußeren Bedingungen, die müssen doch auch stimmen?
Christian Berndt Kirche hat auch den Auftrag, politisch zu sein, Stellung zu beziehen. Gerade für Menschen Sprecherin zu sein, die das für sich nicht können. Für Menschen in sozial schwierigen Situationen. Für Menschen, die Asyl suchen. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass wir da einen doppelten Auftrag haben. Wir können nicht immer neutral sein. Das wäre nicht ehrlich.
Thomas Hoffmann Der Ursprung unseres Glaubens ist politisch. Die Heilige Familie ist eine Flüchtlingsfamilie. Sie sind nach Ägypten geflohen, weil man ihnen nach dem Leben getrachtet hat. Der Prozess gegen Jesus, je nachdem, wie man ihn deutet, hatte auch politische Anteile, weil Jesus durch seine konsequente Rede- und Handlungsweise einigen Leuten ordentlich auf die Füße getreten ist. Er hat uns gezeigt, dass Gerechtigkeit und Menschenwürde bei Gott sehr hoch im Kurs stehen.
Weil es im Glauben auch um das tatsächliche Leben der Menschen im Hier und Jetzt geht, deshalb müssen wir sagen, wo für uns Grenzen verletzt werden und darüber mit den anderen ins Gespräch kommen.
Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?
Thomas Hoffmann Ich wünsche mir das helle Weihnachtslicht. Für die Menschen, für die ich als Pfarrer Verantwortung trage. Und auch für mich. Außerdem habe ich viel mit Menschen aus der Ukraine zu tun. Für sie wünsche ich mir, dass es bald gelingt, in ihrem Land zum Frieden zu kommen. Zu einem Frieden, der mit einer guten Zukunft verbunden ist. Davon sind wir im Moment leider noch sehr weit entfernt.
Christian Berndt Ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir als Menschen doch immer mehr Frieden hinbekommen. Vor allem durch diplomatische Beziehungen und nicht durch Waffen. Es gibt um mich herum viele Zeichen gelebter Liebe, das ist für mich auch Weihnachten. Davon möchte ich noch mehr erleben, das tut mir gut. Ich brauche die Weihnachtsbotschaft jedes Jahr wieder. Deswegen ist es gut, dass wir jedes Jahr Weihnachten haben.
Protokoll: Kirchenkreisöffentlichkeitsarbeit / F. Josuweit