Weshalb Facebook, Twitter, Instagram, Alexa, Siri und künstliche Intelligenz kirchliche Handlungsfelder sein müssen, erläuterte Ralph Charbonnier heute im Rahmen der Wolfsburger Gespräche. Der Oberkirchenrat und promovierte Theologe sprach über „Neue Technologie – bewährte Ethik: Digitalisierung und Gerechtigkeit“. Digitalisierung habe eine religiöse Dimension, die Kirchen seien hier gefordert bezüglich Ethik, Gerechtigkeitsfragen und auch pragmatisch. „Wie kann die Kommunikation des Evangeliums in den Handlungsfeldern der Kirche auch digital erfolgen und gelingen?“ Diesen Fragen müsse Kirche sich stellen.
Digitalisierung sei ethisch verantwortlich zu gestalten, sie werfe Gerechtigkeits- und Machtfragen auf mehreren Ebenen auf, machte Charbonnier klar. Kulturelle, ökonomische, rechtliche und soziale Kontexte und digitale Geräte bedingten sich gegenseitig, das technologische und kulturelle Potential berühre Machtfragen. „Beides, Potential und Macht, rufen nach Ethik. Ethik zur Orientierung von Entscheidungen. Und Ethik zur Verantwortung der Macht, die Prozessen der Digitalisierung inbegriffen ist.“
Ungleichheiten würden in der digitalen Welt wachsen und Armutsrisiken steigen. Discount-Mentalität zeige sich nicht nur im lokalen Handeln, sondern auch auf dem globalen Arbeitsmarkt, denn digitale Technologie kenne keine Grenzen. „Online bieten Menschen Dienstleistungen unter Mindestlohnniveau an, Beiträge für Alterssicherung können sie davon nicht abführen, sie stehen in weltweiter Konkurrenz zu Menschen, die ihre Dienstleistungen noch zu ganz anderen Preisen anbieten können.“
„Smartphones oder iPads sind keine neutralen Geräte. Sie verändern unseren Tagesablauf, unser Kommunikationsverhalten, unser Verhältnis von Berufs- und Privatleben.“ Menschen müssten daher befähigt werden, selbstbewusst und verantwortlich mit diesen Medien umzugehen. Hier gäbe es viele Gelegenheiten in der Kirche, diese Fragen zu thematisieren, beispielsweise in der Arbeit mit Jugendlichen, in den Bildungseinrichtungen, in Fortbildungen für Erzieher, Lehrerinnen und Kirchenvorstehende.
„Zugleich tragen wir als Kirche Verantwortung dafür, ethische Aspekte bei der Entwicklung und Anwendung öffentlich zu thematisieren.“ Menschliche Intelligenz sei mehr als rechnen zu können und Lernen mehr als Wissen anzuhäufen. Menschliches Lernen bedeute immer auch, Erfahrungen zu machen. „Wir müssen – um Gottes und des Menschen willen – die Sprache der digitalen Welt kritisieren. Sonst machen wir uns zu Maschinen und die Maschinen werden darüber zu neuen Menschen.“
Hintergrund
Bis zu fünf Mal jährlich laden die IG Metall, die Ingenieurkammer Niedersachsen und der evangelisch-lutherische Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen zu den Wolfsburger Gesprächen ein. „Wir kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammen, um uns über aktuelle gesellschaftliche Fragen auszutauschen und miteinander zu verbinden“, erklärt Industrieseelsorger Dirk Wagner, Initiator dieser Veranstaltungsreihe des Kirchenkreises Wolfsburg-Wittingen.
Oberkirchenrat Dr. theol. Dipl.-Ing. Ralph Charbonnier, Jahrgang 1962, studierte Maschinenbau-Ingenieurwissenschaften, Evangelische Theologie und Philosophie. Seine Dissertation schrieb er 2003 zum Thema „Technik und Theologie“. Er war Pastor, Theologischer Studienleiter an der Evangelischen Akademie Loccum und Superintendent im Kirchenkreis Burgdorf/Hannover. Ralph Charbonnier ist Leiter des Referates für Sozial- und Gesellschaftspolitische Fragen des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Geschäftsführer der EKD-Kammer für soziale Ordnung und designierter Geistlicher Vizepräsident im Landeskirchenamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
F. Josuweit / Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen