Reformationsempfang 2024

Nachricht 06. November 2024

Nächstenliebe einschränken? Die repräsentative Demokratie abschaffen? Menschen, die sich als rechte Christen sähen, wünschten sich Werte, an denen nicht gerüttelt werden könne. „Was heißt überhaupt rechts?“, fragte Martin Fritz auf dem Empfang zum Reformationstag in Wolfsburg-Vorsfelde. Eingeladen hatten der Evangelisch-lutherische Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen und die Evangelisch-lutherische Propstei Vorsfelde zu dieser Veranstaltung, die Vertreter:innen aus Kirche, Politik und Wirtschaft besuchten.

„Sie wollen ein homogenes Nationalvolk, lehnen Immigration ab oder sind völlig ausländerfeindlich, oft auch antiliberal“, skizzierte Fritz, promovierter Theologe und Mitarbeiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin, die sogenannten neuen Rechten. Rechts sei nicht nur ein politikwissenschaftlicher Fachbegriff sondern auch eine politische Diffamierung und werde bisweilen inflationär für alles gebraucht, was einem nicht passe. Rechtsextremismus weise zudem das Zusatzmerkmal der Verfassungsfeindlichkeit auf.

„Teile der neuen Rechten positionieren sich dezidiert christlich“, zu ihnen gehörten Prominente wie der frühere Journalist Peter Hahne oder Gloria von Thurn und Taxis. „Sie wollen ein patriotisches Christentum, das verwurzelt ist in regionalen Traditionen, in einer homogenen Heimatkultur.“ Subjektivismus, Zweifel, Aufklärung seien unerwünscht, die Bibel werde wortwörtlich ausgelegt, liberale Haltungen würden zu Feindbildern erklärt.

Konservative Motive würden von den neuen Rechten populistisch verschärft und inhaltlich radikalisiert. „Sie gehen in den Kulturkampf-Gegenangriff.“ Gegen Globalisierung, Technisierung, Liberalisierung, Pluralisierung, Meinungsfreiheit. Gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, gegen Ehe für Alle, gegen Klimahysterie. „Die Aufklärung als europäisches Identitätsmoment wird verleugnet“, erläuterte Privatdozent Martin Fritz, der Videos von Auftritten Peter Hahnes für die AfD zeigte. Vieles, was in den 1980er Jahren noch Mainstream war, sei durch eine rasante Liberalisierung heute nicht mehr gültig. „Konservative fühlen sich marginalisiert und radikalisieren sich.“

Aber auch die politisch-moralische Kommunikation von Kirchenleitung sei in Teilen einseitig und simplifizierend, beklagte der Fachmann für Weltanschauungsfragen. „Es gibt keine einfache Linie, Großkirchen müssen Pluralität ertragen und mit einem Minimalkonsens gestalten.“ Ganz klare Fundamente fänden sich nur in kleinen Freikirchen oder Sekten. „Die Bibel ist vielgestaltig und plural!“, warb Martin Fritz dafür, darauf zu achten, wo man selbst auch polarisiere. „Hüten Sie sich vor Stempeln und Schubladen, vor naivem selbstgerechtem Gesinnungsstolz oder konfrontativer Orientierung.“ Es gäbe nicht nur schwarz oder weiß, mahnte Fritz. „Toleranz, auch gegenüben konservativen Meinungen, ist in weiten Teilen verloren gegangen. Man muss auch tolerieren, wenn Menschen mit praktizierter Homosexualität nicht klarkommen.“

Am Reformationstag laden die evangelischen Kirchen in Wolfsburg und im Isenhagener Land traditionell zu Andacht, Vortrag und anschließendem Beisammensein ein. „Hören, reden, singen und essen – ein typisch evangelischer Vierklang“, begrüßte Propst Dr. Ulrich Lincoln die Besucherinnen und Besucher zur „innerevangelischen Ökumene am Reformationstag“. Die Andacht gestalteten Superintendent Christian Berndt, der Bläserkreis der Wolfsburger Stadtkirchengemeinde und Kirchenkreiskantor Markus Manderscheid.

Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis / F. Josuweit

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