Die Natur braucht den Menschen nicht

07. Juni 2021

Wolfsburger Stadtförster Dirk Schäfer zu Gast beim Kirchenkreiskonvent

‚Klimaschutz und Nachhaltigkeit mit allen Sinnen‘ lautet das Motto der diesjährigen Klausurtagung des Konventes der hauptberuflich Tätigen im Kirchenkreis, die vom heutigen Montag an bis Mittwoch online stattfindet. Der Wolfsburger Förster Dirk Schäfer, der auch Lektor der Stadtkirchengemeinde ist, erzählt zum Auftakt der dreitägigen online-Tagung über die Auswirkungen des Klimawandels auf den heimischen Wald und die Bedeutung des Waldes für den Menschen.

„Die Klimakrise ist das Problem der Menschheit. denn wir als Menschen sind abhängig von der Natur", sagt Forstmann Schäfer. Die Natur verändere sich massiv, werde sich aber letztlich - wie in den Jahrmillionen der Erdgeschichte - anpassen. Es werde immer wärmer, niemand stelle das mehr ernsthaft in Zweifel. „Das ist anthropogen erzeugt, wir tragen dafür die Verantwortung!“ Nach der ungewöhnlichen Trockenheit in den Jahren 2018 bis 2020 seien hier in der Region neben Fichten insbesondere die Rotbuchen betroffen. „Die Buche ist konkurrenzstark, sie duldet wenig anderes Leben neben sich.“ Im Gegensatz zur Eiche wurzele die Buche nicht sehr tief und sei auch deshalb in Trockenzeiten stärker gefährdet. Drei Jahre habe er keine ordnungsgemäße Forstwirtschaft – die ja zukunftsorientiert ist und sehr langfristig denkt und arbeitet – mehr machen können. „Wir haben uns nur noch um Krisenbewältigung gekümmert.“

Holz ist ein Wirtschaftsfaktor, sagt der Forstbeamte. „Wir haben keine Zeit, auf die Natur zu warten, weil wir den Wald brauchen.“ Jahrhunderte dauere es, bis trockenresistentere Baumarten aus dem Süden einwandern. Sei der Klimawandel in der Forstwissenschaft erst mit der Jahrtausendwende wirklich angekommen, so habe es öffentlichen Bewusstsein noch mal zehn Jahre mehr gebraucht. Das Klimaschutzziel, die globale Erderwärmung bis zum Jahr 2100 auf weniger als zwei Grad Celsius zu begrenzen, erscheine moderat. „Das ist für die Landflächen allerdings alles anderes als moderat“, erläutert Schäfer. Denn ganze 4,3 Grad gestehe man den Landflächen zu, lediglich ein Grad entfalle auf die Ozeane. Klimaverlierer im Wald seien Rotbuche und Fichte; Eichen, Kiefern und Douglasien könnten erhalten bleiben, wenn denn die mittleren Prognosen eintreffen sollten. Und das ist durchaus fraglich. „Die tatsächliche Entwicklung entspricht den düstersten Erwartungen.“

Stehen also die Apokalypse und das Weltende am Horizont? Es gäbe keine klare einfache Botschaft, was zu tun sei, sagt Schäfer. Dennoch sei unstrittig, dass wir es in der Hand haben. „Die Lösung für die Zukunft nicht nur des Waldes hängt an unserem maßlosen Ressourcenverbrauch.“ Schäfer redet Tacheles. Seine Arbeit als Förster habe seit der großen Trockenheit 2018 persönliche Auswirkungen gezeigt. „Ich habe die Lust am Auszeichnen verloren, ich hatte da keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten mehr – es war nur das Markieren absterbender Bäume.“

Ein Förster denkt in Jahrhunderten. „Wenn wir einen Baum in die Erde setzen, steht der da schon mal 200 Jahre.“ Der Wald sei ein Resonanzraum für das Umweltbewusstsein der Menschen, er stehe für Kontinuität, Stabilität, Ruhe, Ursprünglichkeit. Den krankenden Wald empfinde der moderne Mensch als persönliche, emotionale Gefährdung. Die Langfristigkeit forstwirtschaftlichen Handelns stehe mit der Kurzfristigkeit politischen Handelns im Konflikt. Es ändere nichts, sagt Schäfer, Umdenken und anders leben seien das Gebot künftiger Entscheidungen. „Die Frage der Zukunft wird sein: Wie können wir mit weniger leben?“

Dirk Schäfer plant dennoch einen neuen Wald in Wolfsburg. „Das mache ich gern und das geht nur mit ganz viel Zuversicht.“ Zuversicht, die auch von Gott kommt. „Ohne Gott ist kein Leben denkbar. Das macht mich dankbar und leitet mich in meinem Handeln als Forstmann.“

Frauke Josuweit/ Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis

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Dr. Georg Wagener-Lohse, Experte für Erneuerbare Energien

Pastorin Carola Beuermann

Oberlandeskirchenrätin Dr. Nicola Wendebourg, Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers