Partnerschaft zwischen dem Ev.-luth. Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen und der Ev.-luth. St. Georg-Gemeinde Togliatti
Einige Informationen zur Stadt Togliatti: Togliatti liegt ca. 1000 km südöstlich von Moskau am Ufer des Wolga-Stausees. Gegründet wurde die Stadt 1737. Ursprünglich hieß sie „Stawropol“. Ab 1950 wurde dasWolga-Stauwerk gebaut. Stawropol lag im Überschwemmungsgebiet und wurde an das linke Ufer des Sees verlegt. Seit 1964 erhielt diese neue Stadt den Namen Togliatti (nach einem bekannten italienischen Kommunisten). Togliatti hat heute ca. 750 000 Einwohner und ist ein Industriezentrum mit einem großen Autowerk, Maschinenbaubetrieben sowie Chemie- und Lebensmittelindustrie. In der Stadt gibt es sechs Universitäten bzw. Hochschulen und wichtige kulturelle und sportliche Einrichtungen.
Die Städtepartnerschaft Seit 1991 besteht die Städtepartnerschaft zwischen Wolfsburg und Togliatti. Schon 1981 (zur Zeit der Nachrüstungsdebatten) hatten Friedensgruppen in Wolfsburg mit Unterstützern aus dem Ev.-luth. Kirchenkreis Wolfsburg die Partnerschaft mit einer „sowjetischen Stadt“ gefordert. Wenig später wurde dann die Autostadt Togliatti als geeigneter Partner für den VW-Standort Wolfsburg vorgeschlagen. 1988 organisiert die Industriediakonie in Wolfsburg (Arche)den ersten Besuch einer Wolfsburger Gruppe in Togliatti., der zu Kontakten führte, die bis heute bestehen.
Wie entstand die Ev.-luth. Gemeinde in Togliatti? Im „Deutschen Kulturzentrum“ der Stadt treffen sich regelmäßig Menschen, die deutschstämmig oder an der deutschen Kultur besonders interessiert sind. In den Räumen dieses Zentrums wurden seit 1998 regelmäßig am Sonnabend ev.-luth. Gottesdienste gefeiert - in deutscher Sprache mit russischer Übersetzung. Anschließend wurde Konfirmandenunterricht erteilt. Die Pastoren kamen dazu aus Samara oder aus Uljanowsk, wo es schon seit dem 19. Jahrhundert ev.-luth. Gemeinden gibt. Für die Menschen mit deutscher Abstammung sind diese religiösen Angebote eine Hilfe, sich ihrer „Wurzeln“, also ihrer Herkunft und ihrer Kultur zu vergewissern. In der Zeit der Perestroika, in der der Sozialismus immer mehr seine prägende Kraft verliert,entdecken sie wieder den Glauben als „Heimat“ und Identifikationspunkt in ihrem Leben. Aber auch Menschen anderer ethnischer Herkunft beginnen sich für den lutherischen Glauben zu interessieren. Angeregt durch die Städtepartnerschaft zwischen Togliatti und Wolfsburg nahm im Jahre 1998 erstmals Pastor Bareis Kontakt zum Kirchenkreis Wolfsburg auf. Pastor Bareis ist württembergischer Pastor und war zum Dienst in der Gebietshauptstadt Samara (ca. 100 km südlich von Togliatti) entsandt. Er und sein Nachfolger, Pastor Markus Schoch, baten um Unterstützung für die kleine Gruppe lutherischer Christen in Togliatti. 2002 und 2003 entsandte der Wolfsburger Kirchenkreis den Pastor i.R. Friedhelm Brockmann und Diakonin i.R. Lore Engelkes zu dreimonatigen Einsätzen nach Togliatti. Ihre Aufgabe war es, die Gemeinde zu vergrößern und sie organisatorisch und geistlich zu stärken. Seit Herbst 2003 ist die Gemeinde von den russischen Behörden offiziell als eine Gemeinde der Ev.-luth. Kirche in Russland, der Ukraine, Kasachstans und Mittelasiens (ELKRAS) anerkannt. Die Gemeinde hat ca. 50 Mitglieder und wird geleitet von Pastorin Tatjana Schivodjorova. Seither hat es mehrfach gegenseitige Besuche in Togliatti und Wolfsburg gegeben.
Eine gute Möglichkeit zu Begegnungen sind die Deutschen Evangelischen Kirchentage, zu denen seit 2005 regelmäßig Gemeindeglieder aus Togliatti anreisen. Für sie, die als Lutheraner in Russland oft als sektiererische Minderheit angesehen werden, sind diese Treffen mit tausenden Menschen, die den gleichen religiösen Hintergrund haben, immer wieder eine ermutigende Erfahrung.
Das besondere diakonische Engagement der Gemeinde Seit 2008 hat die Kirchengemeinde - angeleitet von ihrer Pastorin - ein ganz besonderes sozial-diakonisches Profil entwickelt. Sie engagiert sich in der Arbeit für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderungen. Diese jungen Menschen und ihre Familien bekommen in Russland bisher nur wenig staatliche und kommunale Unterstützung. Die Gemeinde beteiligt sich an dem Projekt „Klub Initiative Togliatti“ (KIT) und bietet in ihren Räumen soziale und pädagogische Hilfe an. Kinder können hier in Gruppen kreativ tätig sein, Eltern treffen sich und beraten sich mit Fachleuten. Pastorin Shivoderova ist intensiv in diese Arbeit eingebunden, organisiert Sommerfreizeiten, Sportfeste, Theateraufführungen und Reisen. Durch ihre Kontakte zu Behinderteneinrichtungen in Deutschland ermöglicht sie in vielfältiger Weise den Erfahrungsaustausch zwischen russischen und deutschen Experten. Und sie hat sich neben der laufenden Arbeit in einem Fernstudium zur examinierten Sonderpädagogin ausbilden lassen!
In den ersten 8 Jahren ihres Bestehens hatte die Ev.-luth. Kirchengemeinde in Togliatti keine eigenen Räume. Gottesdienste (inzwischen meist in russischer Sprache), Konfirmandenunterricht, Bibelstunden, Jugengruppen und die diakonische Arbeit fanden in wechselnden angemieteten Räumen statt. Im Jahre 2011 konnte die Gemeinde im Erdgeschoss eines Bürohochhauses (Jubilejnaja Str.31) erstmals 2 eigene Räume von zusammen 50 m² erwerben. Die beiden deutschen Diasporawerke, „Gustav-Adolf-Werk“ und „Martin-Luther-Bund“ und die Muttergemeinde in Samara haben diesen Kauf finanziell ermöglicht. Das Fest zum 10-jährigen Bestehen der Gemeinde wurde im Oktober 2013 mit vielen Gästen als Erntedankgottesdienst gefeiert. Die Jugendlichen des KIT-Projektes führen ein Theaterstück auf . Pastorin Shivoderova schrieb dazu: „Es war sehr erfreulich zu sehen, dass wir nicht mehr nur eine so kleine Gemeinde sind, sondern dass wir eine Gemeinde mit Partnern aus Wolfsburg, Berlin, Samara, Uljanowsk, aus dem Martin-Luther-Bund und dem Gustav-Adolf-Werk, also ein Teilchen des weltweiten Luthertums sind.“
Die heutige Situation der Ev.-luth. St. Georg-Gemeinde in Togliatti Im September 2016 konnte die Gemeinde einen weiteren wichtigen Schritt in ihrer Entwicklung tun. Sie erwarb ein eigenes Haus: Togliatti, Yushnoye Shosse 67A . Das inmitten von vielstöckigen Wohnblocks neben einem öffentlichen Spielplatz stehende Gebäude war vorher als Sauna genutzt worden. Wieder war es vor allem das Gustav-Adolf-Werk, das den Kauf ermöglichte.