Gottesdienstbuch Klieversberg

66. Aktion von Brot für die Welt

21. Oktober 2024
Foto: Jörg Böthling (BfdW)
Foto: Jörg Böthling (BfdW)

Mit Zimt aus der Armut
Im hügeligen Nordwesten Vietnams leben vor allem Angehörige ethnischer Minderheiten – viele von ihnen in großer Armut. Die Erträge aus der Landwirtschaft reichen kaum zum Überleben. ‚Yen Bai Women’s Union‘, die dortige vietnamesische Partnerorganisation von ‚Brot für die Welt‘, will das ändern. Sie setzt unter anderem auf den Anbau von Zimt.

„Das hier ist unsere Zukunft“, sagt Ton Hoang Thi und hält die frischgeschälte Rinde eines Zimtbaums in die Höhe. Das Innere der Schale glänzt in hellen Karamelltönen. Das baumeigene Öl verströmt einen intensiven Duft, der an Weihnachten erinnert. In Ton Hoang This Heimat Vietnam gehört Zimt seit Jahrhunderten in die Alltagsküche. Schon ihre Vorfahren würzten ihre Gerichte mit Cassia-Zimt, der aus der kräftigen, ölhaltigen Rinde der gleichnamigen Bäume gewonnen wird. Sie sind im Nordwesten Vietnams heimisch.

Die Menschen in der hügeligen Region leben vom Anbau von Reis, Mais und Maniok sowie von der Kleintierhaltung. Dazu erwirtschaften sie ein kleines Einkommen,  indem sie das Holz, die getrocknete Rinde und die ölhaltigen Blätter ihrer Zimtbäume verkaufen. Das reicht aber bei Weitem nicht aus. Ton Hoang Thi hat daher den zwei Hektar großen Zimthügel ihrer Schwiegereltern neu bepflanzt.

„Wir wollen in der Gemeinde eine Kooperative gründen, um unsere Produkte besser vermarkten zu können“, sagt die 30-jährige Kleinbäuerin, die der Volksgruppe der Dao angehört. Dann zeigt sie, wie das kostbare Gewürz entsteht: Mit ihrem Mann Phuc Ban Huu schält sie den kerzengeraden Stamm eines acht Meter hohen und zehn Zentimeter dicken Zimtbaums eines Nachbarn. „Unsere Bäume sind noch zu jung“, erklärt die zierliche Frau. „Zum Fällen muss ein Baum mindestens zehn Jahre alt sein.“

Helfen Sie helfen!

Brot für die Welt hilft nachhaltig und grenzübergreifend.

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Stichwort 'Brot für die Welt'

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Ansprechpartner

Helmut Kramer
Pastor Helmut Kramer
Foto: Jörg Böthling (BfdW)
Foto: Jörg Böthling (BfdW)

Die Wolken hängen tief zwischen den saftig grünen Hügeln ihres Dorfes Ta Lanh. Bald wird es regnen. Ton Hoang Thi wischt sich den Schweiß von der Stirn und macht zügig weiter.

Während ihr Mann Phuc die Rinde mit einem scharfen Buschmesser einritzt, häutet sie den Stamm mit einem Plastikschäler. Als Phuc in der Höhe nicht mehr weiterkommt, schlägt er einen Keil in den Stamm. Der Baum fällt krachend zu Boden, wo das junge Paar flink weiterarbeitet. Nach einer Dreiviertelstunde ist der gesamte Stamm kahl, Rinde und Äste stapeln sich auf dem Waldboden auf dem Waldboden. 200.000 Vietnamesische Dong, knapp acht Euro, zahlen ihnen die Zwischenhändler für das Rohmaterial, wenn es getrocknet ist. Diesen Betrag wollen die Eheleute in den kommenden Jahren deutlich steigern.

Einkommen erhöhen, Selbstvertrauen stärken

„Ziel des Projektes ist, die Einkommen der Menschen in der Region zu erhöhen und sie zu befähigen, die Entwicklung ihrer Gemeinden selbst voranzutreiben“, erklärt Thuy Tran Thi Thanh im großen Versammlungshaus des Dorfes Ta Lanh. Die stellvertretende Vorsitzende der „Yen Bai Women’s Union“ (YBWU) koordiniert das von „Brot für die Welt“ unterstützte Ernährungsprojekt für rund 4.000 Menschen in sieben Dörfern der Provinz Yen Bai.Fast alle Menschen hier gehören ethnischen Minderheiten an, ein Großteil von ihnen ist arm. Oft mangelt es ihnen nicht nur an Wissen, sondern auch an Selbstvertrauen. Das Dorf Ta Lanh mit seinen 800 Bewohnerinnen und Bewohnern liegt weit weg von der nächsten Hauptstraße. Die Projektmitarbeitenden besuchen den Ort regelmäßig, um Fortschritte zu begutachten, Fragen zu beantworten und Schulungen durchzuführen.

Danke...

...für Ihre Spende 2023

Insgesamt 119.291,50 Euro wurden im Jahr 2023 im Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen an Brot für die Welt gespendet. Herzlichen Dank allen Spenderinnen und Spendern! Bundesweit gingen beim evangelischen Hilfswerk im vergangenen Jahr 75,9 Millionen Euro Spenden und Kollekten ein.

Übrigens: Das jährlich erneuerte Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) ist ein verlässliches Kriterium für die Vertrauenswürdigkeit von Brot für die Welt. "Jeder Euro wird weitergegeben, es bleibt nichts in der Verwaltung, denn diese Kosten übernehmen wir als Kirche", erklärt Pastor Helmut Kramer.

Foto: Jörg Böthling (BfdW)
Foto: Jörg Böthling (BfdW)

An diesem Nachmittag steht ein Kurs in integrierter Schädlingsbekämpfung auf dem Plan. Ton Hoang Thi ist selbstverständlich dabei. Im Gemeindesaal sitzen 32 Männer und Frauen an langen Tischen. Nur wenige von ihnen sind über die Grundschule hinausgekommen. Kursleiter Dat Mai Van geht durch die Reihen und erklärt geduldig, wie man Schädlinge auf natürliche Art und Weise bekämpfen kann.

„Alles greift ineinander“, sagt er. „Ihr müsst den Boden verbessern, Unkraut beseitigen, Kompost ansetzen, Setzlinge ziehen, Würmer mit der Hand beseitigen, biologische Pestizide herstellen und die Schädlinge damit besprühen.“ Wie Krankheiten und Pilzbefall aussehen, zeigt er anschließend auf dem Nachbargrundstück. „Was macht ihr hiermit?“, fragt er unter wolkenverhangenem Himmel und hält ein braungeflecktes Zimtblatt in die Höhe. Ton Hoang Thi räuspert sich und antwortet leise: „Wir besprühen es mit einer Mischung aus Knoblauch, Ingwer und Chili.“ Der Kursleiter nickt anerkennend, die Schülerin atmet erleichtert auf.

Gemeinsam aus der Armut

„Nie hätte ich gedacht, dass ich vor einer so großen Gruppe sprechen könnte“, sagt die junge Frau später in ihrem Gemüsegarten. „In unserer Kultur bleiben die Frauen zu Hau¬se.“ Seit 2018 macht Ton Hoang Thi im Projekt mit, seit einem Jahr engagiert sie sich im zehnköpfigen Kernteam ihres Dorfes. „Ich will etwas bewegen“, sagt die junge Frau. „Das Projekt gibt mir die Möglichkeit dazu, das ist großartig.“

Neben den Schulungen stehen selbst initiierte Gemeinschaftsaktivitäten im Mittelpunkt des Projektes. So haben die Dorfbewohnerinnen und -bewohner Ende 2020 zusammen das Versammlungshaus errichtet. Und im Frühjahr 2023 betonierten sie eine schmale Straße, die direkt vor Ton Hoang This Haustür verläuft. „Die Straße ist eine enorme Erleichterung. Früher mussten wir oft um drei Uhr morgens zur Feldarbeit aufbrechen oder sogar auf unseren Feldern übernachten“, erzählt die Kleinbäuerin.

Die Reisterrassen der Bauernfamilien liegen oberhalb des Dorfes. Zu Fuß dauert ein Weg mehrere Stunden, mit Motorroller oder Moped sind es dagegen nur wenige Minuten. Heute ist Ton Hoang Thi wie immer um fünf Uhr aufgestanden, hat Frühstück gemacht, ihren elfjährigen Sohn Bao die vier Kilometer zur Schule gefahren, einer Nachbarin beim Dreschen geholfen, Mittag¬essen gekocht, Bao abgeholt, den Zimtbaum gefällt und trotzdem am Seminar teilgenommen.

Am besten findet die stolze Mutter aber, dass ihr Sohn durch die befestigte Straße keinen Tag Schule mehr verpasst. „Früher musste Bao bei Regen tagelang zu Hause bleiben, weil die Wege total verschlammten und unpassierbar waren. Der Siebtklässler ist ihr einziges Kind. „Kinder kosten Geld. Bao soll Abitur machen und einen richtigen Beruf erlernen oder studieren.“

Für das Abendessen pflückt Ton Hoang Thi ein paar Chilischoten und Kräuter. In ihrem Garten baut sie diverse Obst- und Gemüsesorten an, unter anderem Süßkartoffeln, Bananen, Avocados und Guaven. Ihre Reisterrassen decken den Eigenbedarf. Den Ertrag steigert sie inzwischen durch Biodünger und nachhaltige Anbaumethoden. Und seit Kurzem zieht sie Zimtsetzlinge und züchtet Bambussprossen, die sie in sechs Monaten wie Spargel stechen kann.

Vor ein paar Jahren versuchte sie sich mit ihrem Mann als Straßenbauarbeiterin in der Hafenstadt Haiphong. Bao blieb bei ihren Eltern. „Das war furchtbar“, erinnert sich Ton Hoang Thi. „Viel zu laut, zu dreckig und zu voll.“ 320.000 Vietnamesische Dong verdiente sie am Tag, keine 13 Euro. „Wir hatten Heimweh und vermissten Bao, die frische Luft und die Stille unseres Dorfes.“ Deshalb kamen die Eheleute zurück. Zwar ist ihr Haus noch lange nicht fertig, Fenster und Innenwände fehlen noch. Aber immerhin hat die Familie ein festes Wellblechdach über dem Kopf, die Holzwände stehen auf solidem Fundament, es gibt eine Toilette mit fließend Wasser, eine Dusche und eine Küche mit offenem Feuer, elektrischem Reiskocher, Kühlschrank und zwei Gasplatten.

Wenn die Behörden den ökologischen Bambussprossen das Gütesiegel für gesunde Nahrungsmittel aus der Region erteilen, will Ton Hoang Thi zusammen mit den anderen Frauen aus dem Dorf die erste Genossenschaft gründen. „Danach kommt der Zimt“, plant sie. Er soll ihrem Sohn die Zukunft sichern. Und auch dem ganzen Dorf.

Text: Constanze Bandowski (BfdW), Fotos: Jörg Böthling (BfdW)

Projekt-Informationen

Die Frauenunion von Yen Bai setzt sich seit 1991 für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen und Mädchen in ihrer Provinz ein.  Das aktuelle von Brot für die Welt finanzierte Projekt richtet sich an rund 4.000 indigene Kleinbauernfamilien in sieben Dörfern. Schulungen in ökologischer Landwirtschaft und Viehzucht versetzen sie in die Lage, ihr Einkommen zu erhöhen. Darüber hinaus entwickeln die Dorfbewohner:innen eigene Gemeinschaftsprojekte: Dazu gehören zum Beispiel der Bau von Straßen, die Errichtung von Bewässerungskanälen oder die Installation einer Straßenbeleuchtung. 26 solcher Kleinprojekte sind in der aktuellen Projektphase geplant.

Helfen Sie helfen!

Brot für die Welt bleibt auch in diesem Jahr auf Ihre Hilfe angewiesen, um selbst helfen zu können. So wie bei den Menschen in Vietnam.

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